18.09.2024

Kulturerbe

Restaurierung der „Aschebücher“ in der Anna-Amalia-Bibliothek

Die Anna Amalia Bibliothek in Weimar brannte 2004 und mit ihr verbrannten kostbare Bücher. Seitdem laufen die Restaurierungsarbeiten. Foto: Brigitte Becker-Ebenau © Klassik Stiftung Weimar

Zwanzig Jahre nach dem verheerenden Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verzeichnet die Klassik-Stiftung Weimar bedeutende Fortschritte bei der Restaurierung der durch das Feuer beschädigten Bücher und Schriften. Bislang wurden 1,1 Millionen Seiten der sogenannten „Aschebücher“ in aufwendigen Verfahren restauriert. Die Arbeiten sollen bis zum Ende der geplanten Restaurierung 1,5 Millionen Seiten umfassen – ein Bruchteil der insgesamt sieben Millionen Seiten, die durch das Feuer in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Der Brand am 2. September 2004 zerstörte nicht nur das Dachgeschoss und die zweite Galerie des historischen Bibliotheksgebäudes, sondern vernichtete insgesamt 50 000 Bücher und 35 Gemälde aus dem 16. bis 18. Jahrhundert. Der berühmte Rokokosaal der Bibliothek, der das Herzstück des Gebäudes darstellt, blieb ebenfalls nicht unversehrt. Insgesamt wurden 118 000 Bücher beschädigt, während 28 000 Bände unversehrt aus dem Rokokosaal geborgen werden konnten. Die beschädigten Bücher wurden in verschiedenen Kategorien erfasst, wobei die 25 000 aus dem Brandschutt geretteten Bände als „Aschebücher“ bezeichnet werden. Diese Fragmente sind aufgrund ihrer starken Ruß-, Rauch- und Hitzeschäden ein zentrales Symbol für den Erhalt des kulturellen Erbes der Bibliothek. Seit 2008 werden sie in einem langfristig angelegten Restaurierungsprojekt wiederhergestellt. Die „Aschebücher“ umfassen insgesamt etwa sieben Millionen Einzelblätter, von denen 1,5 Millionen Blätter zur Restaurierung vorgesehen sind.

Der Rokokosaal der Anna Amalia Bibliothek wurde bei dem Brand schwer beschädigt. Foto: Brigitte Becker-Ebenau © Klassik Stiftung Weimar

Herausforderungen der Restaurierung

Der Umfang der Schäden war beträchtlich. Von den 118 000 beschädigten Büchern wiesen 56 000 starke Ruß-, Rauch- und Schadstoffbelastungen auf. Weitere 62 000 Bücher waren durch Feuer, Hitze und Löschwasser beschädigt, darunter 37 000 Bände mit Einbandschäden. Viele dieser Bücher sind unwiederbringlich beschädigt, doch der Großteil konnte restauriert werden. Zwischen 2004 und 2018 wurden alle 56 000 ruß- und rauchgeschädigten Bücher gereinigt, dekontaminiert und konservatorisch versorgt. Die Arbeiten an den 37 000 Büchern mit Einbandschäden sind seit 2020 nahezu abgeschlossen.

Jedoch gestaltet sich die gesamte Restaurierung der „Aschebücher“ als überaus komplex. In der bundesweit einzigartigen Restaurierungswerkstatt für brandgeschädigtes Schriftgut, die 2008 mit Unterstützung der Vodafone Stiftung Deutschland in Weimar-Legefeld errichtet wurde, werden jährlich etwa 60 000 Blatt restauriert. Diese Werkstatt wurde speziell für den Umgang mit großflächigen Brandschäden entwickelt, da es zum Zeitpunkt des Brandes 2004 keine standardisierten Verfahren gab, um solche Schäden in großem Umfang zu behandeln.

Neben der physischen Wiederherstellung spielt auch die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Mit Unterstützung der Volkswagen Stiftung wurden zahlreiche „Aschebücher“ digitalisiert, um eine langfristige Archivierung zu gewährleisten. Die Klassik-Stiftung Weimar veröffentlichte darüber hinaus den Film „Die Rettung der Weimarer Aschebücher“, der einen Einblick in die anspruchsvolle Arbeit der Restaurator*innen gewährt.

Beim Brand wurden kostbare Bücher schwer beschädigt. Sie werden seitdem aufwendig restauriert. Foto: Brigitte Becker-Ebenau © Klassik Stiftung Weimar

Wissenschaftliche Kooperationen und Modellprojekte

Von Anfang an war die Restaurierung der „Aschebücher“ von einer engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit geprägt. Ein internationaler Fachbeirat wurde eingerichtet, mehrere Forschungsprojekte ins Leben gerufen, um die Restaurierung zu unterstützen und weiter zu entwickeln. Zu den Modellprojekten, die von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung schriftlichen Kulturguts (KEK) gefördert wurden, zählen „Durch Feuer und Wasser. Weimarer Gewebeeinbände restauriert“ (2011) sowie das Projekt zur „Konservierung historischer Seideneinbände“ (2016).

Ein weiteres essentielles Forschungsprojekt wird seit 2018 in Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur Wien durchgeführt. Es befasst sich mit dem „Einsatz von nano- oder microfibrillierten Cellulosen für die Stabilisierung und Restaurierung von historischem Papier“. Dieses innovative Verfahren könnte zukünftig eine entscheidende Rolle bei der langfristigen Sicherstellung von stark beschädigtem Kulturgut spielen.

Die Zusammenarbeit mit der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) führte 2014 zur Ausstellung „Restaurieren nach dem Brand – Die Rettung der Bücher der Herzogin Anna Amalia Bibliothek“. Diese Ausstellung und das dazugehörige Begleitbuch dokumentieren den außergewöhnlichen Restaurierungsprozess und bieten Einblicke in die technischen und kulturellen Herausforderungen.

In der deutschlandweit einzigarten Restaurierungswerkstatt in Weimar-Legefeld werden pro Jahr rund 60 000 Blatt restauriert. Foto: Marius Maasewerd © Klassik Stiftung Weimar

Finanzierung und langfristige Planung

Die Restaurierungsarbeiten, die bis Ende 2028 fortgeführt werden sollen, sind durch Mittel von Bund und Ländern gesichert. Insgesamt wurden bereits 12,8 Millionen Euro in die Restaurierung und den Wiederaufbau der Anna-Amalia-Bibliothek investiert. Diese bedeutende Summe verdeutlicht die enorme kulturelle Bedeutung des Projekts und die Dringlichkeit, das literarische Erbe Weimars zu bewahren.

Ein wichtiger Aspekt bei der Restaurierung war auch die Verbesserung des Brandschutzes. Nach dem Brand von 2004 wurde ein modernes System installiert, das Brände bereits in ihrer Entstehungphase erkennen und bekämpfen kann. Dies soll zukünftige Katastrophen verhindern und das wertvolle Kulturgut der Bibliothek langfristig schützen.


Hintergrund

Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar stellt seit den Anfängen im Jahr 1547 eine bedeutende Forschungs- und Archivbibliothek dar, die sich auf die Literatur- und Kulturgeschichte Europas fokussiert, insbesondere auf den Zeitraum zwischen 1750 und 1850. Sie setzt die Tradition historischer Fürstenbibliotheken fort und bewahrt eine breite Sammlung von Werken, die vom 9. bis zum 21. Jahrhundert reichen.

Weiterführende Links

Aschebücher im Online-Katalog der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Aschebücher in den Digitalen Sammlungen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Datenbank der Brandverluste

Details zur Restaurierung der geborgenen Bücher und zur Brandfolgenbewältigung

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