02.10.2024

Denkmalpflege Nachhaltigkeit

Denkmalpflege vs. Klimaschutz?

In München wurde darum gestritten, wie man den Max-Joseph-Platz begrünen kann. Foto: xiquinhosilva, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons
In München wurde darum gestritten, wie man den Max-Joseph-Platz begrünen kann. Foto: xiquinhosilva, CC BY 2.0 , via Wikimedia Commons

Wie sich die Debatten um den Münchner Max-Joseph-Platz und den Wiener Michaelerplatz doch gleichen: Die zentralen und denkmalgeschützten Plätze sollen umgestaltet werden und so klimafit gemacht werden. Einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz nennen es die einen, die anderen fürchten einen zu großen Eingriff und die Zerstörung des Erscheinungsbilds des jeweiligen Ensembles.

Städte wie München und Wien ächzen im Sommer unter heißen Temperaturen und mit ihnen die Bewohnerinnen und Bewohner. Allen ist klar: So kann es nicht weitergehen! Ein probates Mittel, um die Erhitzung der Städte zu mindern, ist die Entsiegelung – sprich graue Steine sollen grünen Pflanzen weichen. Um mehr Grünflächen zu gewinnen, sind Plätze in den Städten willkommenen Flächen, sind sie doch zumeist groß und oftmals zumindest verkehrsberuhigt. Zugleich können begrünte Plätze nicht nur positiv auf das Stadtklima einwirken, sondern bieten auch einen Raum für den Aufenthalt im Freien – gesteigerte Aufenthaltsqualität ist hier das gern genutzte Stichwort. Das es solche Plätze braucht, darin sind sich alle einige. Doch die Wahl der Plätze stößt bisweilen auf Widerstand – so auch in München und Wien. Expertinnen und Experten bemängeln in beiden Städten, dass der Denkmalschutz bei den Maßnahmen zum besseren Klimaschutz den Kürzen zieht. Beide Stadtverwaltungen haben daraufhin ihre Pläne nachgebessert, aber verändert werden die Plätze dennoch.


Interim in München

Der Max-Joseph-Platz in München befindet sich am Endpunkt der Maximilianstraße und wurde vom Hofarchitekten Leo von Klenze (1784–1864) gestaltet. Klenze orientierte sich dabei am Kapitolsplatz in Rom. Der Platz ist umgeben von bedeutenden Bauwerken. 1811 wurde an dieser Stelle das Nationaltheater durch Karl von Fischer (1782–1820) errichtet, als Vorbild diente ihm das Pariser Odeon. Zwischen 1825 und 1842, während der Regentschaft von König Ludwig I. (1786–1868) entstand auf der Nordseite des Platzes der Königsbau der Residenz. Der verantwortliche Architekt war Leo von Klenze der im Stile des Klassizismus den Bau nach den Vorbildern der Florentiner Paläste Palazzo Pitti und Palazzo Rucellai entwarf, diese Bauwerke prägen den Max-Joseph-Platz auch heute. Dem Königsbau gegenüber befindet sich das Palais Toerring-Jettenbach, das zwischen 1747 und 1754 im Stile des Rokokos von Ignaz Anton Gunetzrhainer (1698–1764) errichtet wurde. Klenze passte den Bau an und fügte ihn somit in das Gesamtensemble ein, als Vorlage diente ihm dabei das Ospedale degli Innocenti in Florenz.
Die Mitte des Platzes bestimmt ein Denkmal, das für Maximilian I. Joseph von Bayern (1756–1825) errichtet wurde. Das Max-Joseph-Denkmal, das den König in sitzender Position zeigt, wurde vom Bildhauer Christian Daniel Rauch (1777–1857) in Zusammenarbeit mit Leo von Klenze und dem Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier (1791–1844) von 1826 bis 1835 geschaffen. Das Denkmal ist umgeben von einem Bodenbelag, der aus groben Isarsteinen besteht. Um den Münchnerinnen und Münchnern einen Ersatz für die Grünfläche am Marienhof, die aufgrund des Ausbaus der zweiten S-Bahn-Stammstrecke für mehrere Jahre wegfällt, zu bieten, soll der Platz umgestaltet werden. Dieser Bodenbelag sollte ursprünglich durch Sträucher, Gräser und Wildblumen ersetzt werden. Nach der Ablehnung des Entwurfs durch das Landesdenkmalamt änderte man den Plan. Matthias Pfeil, der Leiter des Bayerischen Denkmalpflegeamts kritisierte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung die Pläne. In erster Linie kritisierte er darin, dass die Pläne zu simpel seien und keinen Bezug auf die Geschichte des Max-Jospeh-Platzes nähmen. Der Platz habe es verdient, dass man sich Mühe gebe. Gleichzeitig zeigte er aber auch Verständnis für den Ansatz, dass man den Platz verändern wolle und bezeichnete ihn als „missbraucht“, indem man ihn einfach nur als Verkehrsfläche nutze. Eine weitere Beeinträchtigung des Platzes stellt nämlich eine Tiefgarage dar, die in den 1960er-Jahren an der Stelle errichtet wurde.
Nach der Kritik des Denkmalpflegeamtes wurden die Pläne angepasst. Man orientierte sich dabei an Plänen aus dem Jahr 1825, die man im Hauptstaatsarchiv fand. Nun soll ein Rasenrondell, das mit Wegen aus Kies durchbrochen ist, das Denkmal umgeben und den Max-Joseph-Platz begrünen. Die Wege sollen dabei sternartig und streng geometrisch auf das Denkmal zulaufen. Zusätzlich wird der Platz von Sträuchern, die in Pflanzgefäße gesetzt werden, flankiert. Nach Willen des Denkmalpflegeamts soll es sich dabei jedoch um eine Interimslösung handeln. Ebenso vorgesehen ist, nach Berichten der Süddeutschen Zeitung, dass die Einfahrt der Tiefgarage zur Maximilianstraße hin schmaler ausfällt. Wenn es nach den Denkmalschützerinnen und Denkmalschützern geht, wird die Tiefgarage zudem in Zukunft wegfallen.

Auch in Wien wurde darüber debattiert, wie man den Michaelerplatz begrünen kann. Foto: Gugerell - Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22211741
Auch in Wien wurde darüber debattiert, wie man den Michaelerplatz begrünen kann. Foto: Gugerell, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22211741

Widerstand in Wien

Nicht als Interim wie beim Max-Joseph-Platz geplant ist die Begrünung des Michaelerplatzes in Wien. Der Platz, der von der Hofburg, der Michaelerkirche und dem Looshaus umgeben ist, soll ebenfalls mittels Grünbepflanzung attraktiver werden, so die Stadt Wien. Denkmalschützerinnen und Denkmalschützer sowie Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker aus dem In- und Ausland kritisieren dieses Vorhaben in einem offenen Brief. In dem Brief, der auf der Internetseite der Österreichischen Gesellschaft für Architektur nachzulesen ist, kann man unteranderem lesen, dass die niemand auf die Idee kommen würde, die Piazza Navon in Rom, den Grand-Place in Brüssel oder auch den Domplatz in Salzburg mit Bäumen zu bepflanzen. Die Autorinnen und Autoren des Briefs heben darin hervor, dass man am Michaelerplatz zum einen die wichtigsten Phasen der Wiener Stadtgeschichte, von der Antike, über das Mittelalter und das Barock bis hin zur Moderne erleben könnte. Zudem seien auf dem Platz auch Ikonen der Architekturgeschichte zu finden, neben dem Bau von Adolf Loos (1870–1933), gibt es ja noch den Michaelertrakt, den Joseph Emanuel Fischer von Erlach (1693–1742) entworfen hat. Die Platzgestaltung insgesamt geht auf Hans Hollein (1934–2014) zurück, stammte aus den 1990er-Jahren und steht auch unter Denkmalschutz. Zudem sei der Platz in seiner jetzigen Gestaltung auch Teil des UNESCO-Welterbes.
Der erste Entwurf sah Hochbeete, Bäume und Wasserspiele vor. Zudem sahen die Planungen vor, dass die Pflastersteine entfernt werden sollten. Gerade Radfahrerinnen und -fahrer begrüßten dies. Das Bundesdenkmalpflegeamt hatte die Pläne zunächst genehmigt, aber auch in den eigenen Reihen gab es Kritik. Der österreichische Denkmalbeirat äußerte ebenfalls Bedenken an den Plänen. Auf besondere Kritik stieß die Idee Blauglockenbäume zu pflanzen. Diese schnell wachsenden Bäume haben ein aggressives Wurzelwerk, das insbesondere die historischen Ausgrabungen, die sich am Platz befinden und die dort auch besichtigt werden können gefährden würden. Es ist jedoch noch unsicher, ob die Verantwortlichen dennoch diese Baumart pflanzen lassen oder ob man sich für andere Bäume entscheidet. Von Seiten der Politik wurde bereits an einigen Stellen nachgebessert. Die Hochbeete wichen ebenen Beet, die geplanten Wasserspiele vor dem Loos-Haus sind dem Anschein nach komplett gestrichen. Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des offenen Briefs betonen ausdrücklich, dass sie die Bestrebungen der Stadt Wien zur Klimaanpassung begrüßen, aber sie heben auch hervor, dass die „Wirkung des historischen Ensembles“ an dieser Stelle zerstört werden. Sie schlagen zudem vor, dass eine Endsiegelung des Heldenplatzes oder auch die Begrünung von Stadtteilen, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zugutekäme, eine bessere Lösung seien.
Generell kann man auch fragen, ob eine Begrünung des Michaelerplatzes überhaupt notwendig ist. Unweit des Platzes sind schließlich sowohl der Burg- als auch der Volksgarten durch einen fünfminütigen Fußmarsch zu erreichen. Auch in München ist diese Frage berechtigt. Befindet sich doch der Hofgarten nur einen Steinwurf vom Max-Joseph-Platz entfernt. Darüber lässt sich dann auch der Englische Garten schnell erreichen.

 

Mehr zum Thema lesen Sie in einem Interview mit Generalkonservator Mathias Pfeil vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in der nächsten Restauro.

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